21 September 2009

Zwiegespräche mit einer alten Katze

Es war Mitte August. Die Sonne schien warm an diesem Tag und ich war schon früh in den Garten gekommen um meine alte, schwarze Katze zu füttern. Seltsam, dass sie nicht schon wartet, dachte ich während eine Ahnung von Angst in mir aufstieg.
Ich fand sie im feuchten Gras liegend. Ihr Atem war kaum noch spürbar als ich neben ihr kniete und sie leicht berührte. Sie hob ganz leicht den Kopf und blickte mich an. Ich begann mit ihr zu sprechen. Ich sagte: „Du Katze, geht’s dir nicht so gut? Was hast du?" Kaum hörbares Schnurren. Ich sagte „ Du, mach mir keine Bange. Du hast mir versprochen noch einen Sommer mit mir hier zu bleiben, in deinem Garten.“
Als ich sie ganz sanft streichelte spürte ich plötzlich unsere gemeinsame Zeit verrinnen. Unwiederbringlich. Ich setzte mich und sprach leise mit ihr während meine Gedanken in den Jahren spazieren gingen.
Ich bin dir so dankbar. Du warst immer da, in den guten und in den schweren Tagen, dachte ich, und mir fielen die kalten Winternächte ein wo ich, eingemummt im Schneeanzug meines Sohnes, deine Malzeiten bewachte, während sich die erwärmte Futterschüssel in den Schnee schmolz.
Ich dachte an die Gartentage, (bis auf die letzen... da war dir der Besucheransturm schon ganz egal...) wo du dich an verborgenen Plätzchen zurückgezogen hattest, wegen der vielen Menschen und erst am Abend wieder zum Vorschein kamst.
Ich erinnerte mich an die Diagnose eines Tierarztes zu dem ich dich brachte weil du krank warst (du hast mich damals sehr zerkratzt...) der meinte: „Lassen sie sie da. Sie hat nur noch wenige Wochen zu leben“...und ich darauf: „Wenn sie keine Schmerzen hat, kann sie noch solange bei mir bleiben. Ich merk das dann schon wenn’s ihr schlechter geht!“
Über vier Jahre ist das nun her! Vier mal Frühling, Sommer, Herbst und Winter... in denen du mir auf Schritt und tritt im Garten gefolgt bist. Immer eine Armlänge weg. Schlafend, schnurrend beobachtend. Es wird mir fehlen!

Emphatisch: Ich sei empathisch mit dieser Katze verbunden deshalb sei sie noch am Leben, meinte ein guter Freund als ich ihm die Sache Anfang letzten Jahres mal erzählte.
Selten und kostbar, dieses Einfühlungsvermögen in die Seele eines anderen Lebewesens. Eine Verbindung, die den Anderen spürt ohne Worte zu machen. Selten mit einem Menschen, unbeschreiblich, wertvoll und schön. Genau so schön mit einem Tier, das mich viele Jahre des Lebens begleitet hat.

Mittags fand ich sie im Schatten des Gartenhäuschens und am Abend saß ich bei ihr vor dessen Tür und war unendlich traurig.

Mein jüngerer Sohn erklärte mir später: „Du bist egoistisch! Lass sie frei. Sie mag nicht mehr, akzeptiere das doch. Sie ist uralt.“. Mein kindlicher Trotz antwortete: „Nein sie ist nicht alt, sie ist unsterblich. Und ich lief raus in zu ihrem Hüttennest und sagte. „Du, Katze ich lasse dich gehen wenn du dazu entschlossen bist.Aber bleib hier in deinem Garten, renn nicht weg wenn du dich zurückziehst, versprich mir das!“(Katzen sterben gerne alleine...)

In der Nacht dachte ich an die Abschiede in meinem Leben. Schmerzhafte und leidvolle. Ich dachte an meine Aufgabe loslassen zu lernen und war traurig.

Am nächsten Morgen sah ich sie erwartungsvoll vor dem Häuschen sitzen. Sie machte einen besseren Eindruck als Tags zuvor und suchte meine Nähe. Als ich sie streichelte spürte ich wie sehr sie dies mit einem Mal genießen konnte. Das tat mir unendlich weh.
Nun erst, am Ende deines Lebens kannst du Zärtlichkeiten zulassen. Es war eine bestürzende Erkenntnis die mich stark bewegte. Ich sah in ihre Augen und mir war als sehe ich mich in einem Spiegel, mich die Suchende nach dem ewigen Garten.

Heute Morgen saß ich wieder für ein Weilchen neben meiner alten Katze, die immer weniger, immer leichter wird in ihrem Hinüber wachsen in eine andere Zeit.
Sie fraß ein bisschen und ich sagte. „Du, der Sommer ist vorbei. Morgen ist Herbstanfang. Wo willst du schlafen wenn es kalt und Winter wird? (die Stiege zum Keller schafft sie nicht mehr)
Sie schaute auf und irgendetwas in ihren Augen lächelte, so als wollte sie sagen: „Warum machst du dir Sorgen um Morgen? Und ich streichelte über ihr Köpfchen weil sie es nun mag, und es rührte mich an wie so oft in den letzten Wochen.

Irgendwann, vielleicht schon morgen wird sie mich und meinen Garten, der ihr Garten war, verlassen. Etwas davon wird sie mitnehmen, und vieles von ihr wird hier bleiben. Ich fühle eine Gartenepoche geht mit ihr zu Ende. Sie gehört irgendwie dazu, sagte ein Gartenfreund, der sie gerne fotografiert hat in ihrem grünen Reich.
Ein kleiner Teil meiner Gartenseele wird Flügel erhalten oder versinkt in der Erde die immer Trost ist.
Heute ist sie noch da, lebt, atmet und genießt die Berührung nach der sie sich vielleicht ein ganzes Leben gesehnt hat.

a presto
m

5 Kommentar(e):

Anonymous m. sagte...

Sie hat wohl den Widerstand aufgegeben, der unnütze Kraft kostet. Und sie spürt vielleicht, dass Abgrenzung ihre Zeit hat, und dass Vertrauen seine Zeit hat. Gerade jetzt, wo sie zerrinnt, die Zeit, ehe die große Zeitlosigkeit beginnt. Alles Gute für deine schwarze alte Katze!

11:24 PM  
Blogger Margit sagte...

Das hast du sehr schön und tröstlich beschrieben. Danke dafür.
Abschied nehmen und loslassen zum guten, richtigen Zeitpunkt fällt mir leider oft schwer. Aber ich lerne brav meine Lektionen. Lebensschule!
Heute zeigt sich der beginnende Herbst von seiner Sonnenseite, eine Zeit um Vorräte für den Winter zu sammeln...
Katze sitzt in der Sonne... Sorge hat Ruh!
Zwetschgengrüße
m

10:38 AM  
Blogger Margit sagte...

Herbst-Zeitlose Gedankenwölkchen...

Ja, Vertrauen hat seine Zeit, beruhigend und schön wenn dieses erst an der Pforte zur Zeitlosigkeit endet.
Jemanden vertrauen können ist für mich ein Geschenk, etwas was mir Sicherheit gibt und Gelassenheit, auch ein Gefühl von Geborgenheit, welche ich zum Dasein benötige.
Über Abgrenzung und über Vertraut sein könnte man ausschweifend philosophieren, aber die Kommentar-Landebahn (die mit wunderschönen, einfühlsamen Textbildern nachdenklich stimmende...) ist dafür zu kurz. Die Worte würden in die Wiese purzeln.
Ich meine, dass Allerwichtigste ist doch, das uns das Vertrauen, und sei es nur in uns selbst, nicht irgendwo auf unseren verzweigten Wegen verloren geht!
m

8:55 PM  
Anonymous m. sagte...

Naja, dass mir auf den verzweigten Wegen das Vertrauen in mich selbst verloren gehen könnte, kann ich mir eigentlich nicht vorstellen - es sei denn, ich würde - was das Universum verhüten möge - eines Tages senil werden und merken, dass ich meinen eigenen Sinnen nicht mehr so recht vertrauen kann. Ansonsten: Wem könnte ich mehr vetrauen als mir? - Allerdings bin ich gefährdet, anderen allmählich weniger zu vertrauen, muss ich gestehen. Zuweilen häufen sich die Anlässe, das Vertrauen in die Menschen um mich herum zu verlieren, es zumindest eingeschränkter zu empfinden als vielleicht zu früheren Zeiten noch. Traurig eigentlich, aber wahr. Andererseits weiß ich, dadurch dass ich weniger freizügig vertraue, wohl besser einzuschätzen, vielleicht, wem ich vertraue und wem besser nicht. - Nun, es ist spät, und solche Worte genügen der Ganzheit aller Empfindungen ohnehin nicht. Zeit zu schlafen - Gut´Nacht ...

11:49 PM  
Blogger Margit sagte...

..."Wem könnte ich mehr vertrauen als mir?"...

Diesen Worten im Besonderen, aber eigentlich dem ganzen Text kann ich nur zustimmen, hätte es von mir ganz ähnlich schreiben können. Vertrauen schenke ich ebenfalls nicht gar zu freizügig, eigentlich sind es schon immer nur sehr wenige, enge, langjährige Freunde mit denen ich einen vertrauensvollen Umgang pflege.
Einerseits birgt es auch oft ein Gefühl des „Alleine seins“, aber andererseits spürte ich in den letzten Jahren daraus auch eine Stärke wachsen die mir Selbstsicherheit gibt. So hat eben alles eine helle und eine dunkle Seite...
Jedenfalls finde ich es schön, selbst auf diesem schmalen Wegstück ein paar Worte auszutauschen.
Zeit zum Sonnebaden. Wer weiß wie lange die köstlichen Altweibersommertage noch anhalten.
m

11:00 AM  

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