08 November 2006

Betrachtungen…und Lebenszeiten..

Es gab Jahre da „graute“ es mir im wahrsten Sinn des Wortes vor dem Monat November weil mir da die Sonne am meisten fehlte und weil mich dieser Monat mit Regen und Nebel mit der früh hereinbrechenden Dunkelheit oft eine sehr dünne Haut bescherte die melancholisch machte.
Mittlerweile überwiegt jedoch die Freude auf die stille Zeit die leise Melancholie birgt gleichzeitig auch eine reife Gelassenheit die den November diesen Jahres mit seiner Melodie begleitet. Die Sonne fehlt mir natürlich immer, das ist das Feuer meiner Geburtsstunde, die sehr heiß gewesen sein soll und die einfach die Temperatur des Lebens mitbestimmt.
Aber gestern dachte ich aus verschiedenen Gründen oft an Carel Capeks Worte zum November... "Wir müssen Geduld haben mit dem Leben denn es ist ewig"
Ja, das ist in mir zur Gewissheit geworden, und wer daran zweifelt der sollte schnell in den Garten laufen und im Staudenbeet ein wenig in der Erde graben.

Am gestrigen Morgen bummelte ich durch mein Städtchen nicht ohne das eine… und das andere zu entdecken.

Hier neben mir sitzt ein kleines Engelchen. Es ist weiß gekleidet und hat ein liebes Gesichtchen. Ein Schlüsselanhänger (eigentlich nicht für mich, da mir seit einiger Zeit ein so genannter „Schnarchbär“ meine Schlüssel verwahrt und mir dabei oft schon seine Streiche gespielt hat.
Nun ich dachte beim Anblick des Engelchens, als ich es in die Hand nahm an Vieles. Daran, dass ich es in meine Truhe legen könnte in der die kleinen Geschenke verstaut sind die ich bei Gelegenheit einfach hervorzaubere. Oder an ein sehr schönes Gedicht, keines was nur zur Weihnachtszeit sehr schön ist.
Dabei dachte ich ein wenig darüber nach wann die Schutzengel wohl einen Augenblick wegsehen…Ich erinnere mich auch an die wilden Kindertage wo ich meinen Schutzengel bestimmt oft ein wenig zu sehr gefordert habe.( Heute auch noch, würde mein erwachsener Sohn sagen, denn ein kleines Bärchenauto ist nix für lange Reisen….)


In meinen Garten hat noch kein „Engelchen“ gefunden, jedenfalls nicht als Steinfigur, denn da mag ich die Feen, Elfen und die kleinen Meerjungfrauen lieber. In meiner Gedichtewelt aber um so mehr:

Ich ließ meinen Engel lange nicht los,
und er verarmte mir in den Armen
und wurde klein, und ich wurde groß:
und auf einmal war ich das Erbarmen,
und er eine zitternde Bitte bloß.

Da hab ich ihm seine Himmel gegeben, -
und er ließ mir das Nahe, daraus er entschwand;
er lernte das Schweben, ich lernte das Leben,
und wir haben langsam einander erkannt...

Seit mich mein Engel nicht mehr bewacht,
kann er frei seine Flügel entfalten
und die Stille der Sterne durchspalten, -
denn er muss meiner einsamen Nacht
nicht mehr die ängstlichen Hände halten -
seit mich mein Engel nicht mehr bewacht.

Reiner Maria Rilke
Aus: Frühe Gedichte (Engellieder)


Sehr schön… nicht wahr?

Mittags zuhause angekommen erfahre ich, dass ein zweites schwach gewordenes Lebenslicht meiner „alten Familie“ in diesem Jahr heute erloschen ist. Loslassen können...
Ein Novembertag der der inneren Einkehr, der Erinnerung. Ein Tag, der die Lebenszeit und ihre Endlichkeit, und das was wirklich zählt bewusst macht. Noch bewusster, und dadurch um noch vieles wertvoller.
Alles hat seine Zeit…
Nachdenklicher Novemberabendgruß
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