Schläft ein Lied in allen Dingen...
Früher Apollo
Wie manches Mal durch das noch unbelaubte
Gezweig ein Morgen durchsieht, der schon ganz
im Frühling ist: so ist in seinem Haupte
nichts was verhindern könnte, dass der Glanz
aller Gedichte uns fast tödlich träfe
denn noch kein Schatten ist in seinem Schaun,
zu kühl für Lorbeer sind noch seine Schläfe
und später erst wird aus den Augenbraun
hochstämmig sich der Rosengarten heben,
aus welchem Blätter, einzeln, ausgelöst
hintreiben werden auf des Mundes Beben,
der jetzt noch still ist, niegebraucht und blinkend
und nur mit seinem Lächeln etwas trinkend
als würde ihm sein Singen eingeflößt.
Rainer Maria Rilke
Aus: Das Buch der Bilder
Vorhin führte ich eine kleine Diskussion mit meinem jüngeren Sohn, der sich im Deutschunterricht gerade mit der Gedichtinterpretation befassen sollte. Er trug mir einen Vers vor, und meinte: „Kannst du das interpretieren?“ „ Nein“, sagte ich „das kann ich nicht so einfach, denn er spricht mich nicht an!“ „Oh, meinte er „muss mich ein Gedicht also erst mal ansprechen?“ (Und er lächelte spitzbübisch...)
Dies hat mich dazu bewogen für mich zu überlegen ob solche „Gedichtinterpretationen“ ganz genau nach vorgegebenen Schemata aufgebaut, wirklich die Tür in die göttliche Welt der Lyrik für die jungen Menschen zu öffnen im Stande ist.
Daher würde ich gerne vorschlagen, dass sich jeder Schüler aus einer ganzen Vielfalt von Gedichten dasjenige auswählen sollte, dass seine Seele, oder sei es auch nur den Verstand (was ich wiederum nicht für möglich halte...) besonders anspricht.
Wäre es nicht erstrebenswert wenn man den Sinn für Verse einfühlsamer fördern würde um dadurch das Erkennen feinster Werte und sprachlicher Schönheiten in guter Prosa zu schulen?
Kleine Kinder hören gerne Reime. Sie haben noch ein ganz elementares Gefühl für Sprachwitz und Wortmelodien. Das kenne ich gut, auch von meinen langjährigen Erfahrungen als Vorleserin in der Bibliothek in E. Junge Kinder erfassen die Reime ohne Mühe und lernen die Verse nach wenigen Wiederholungen geradezu mühelos auswendig.
Schade, dass diese keimende Saat in den oberen Schulklassen oftmals nicht so unbeschwert weiter wachsen kann.
Nun, gut. Ich jedenfalls liebe Gedichte, ganz besonders die von Rainer Maria Rilke. Sie machen die Seele Staunen, Weinen oder Zittern wie das Flügel schlagen eines winzigen Vogels. Sie sind imstande, wenn man es zulassen kann, das Außen aufzulösen um nur noch das Innerste zu spüren.
Ähnlich, aber doch ganz anders die Gedichte Hermann Hesses, die mich ebenfalls schon einige Jahre begleiten. Sie sind wie ein guter Freund, einem dem man alles anvertrauen kann, weil man ihn am besten kennt, weil er das in sich birgt was du selbst auch in dir birgst.
Aber genug!
Eigentlich wollte ich „nur“ dieses Frühlingsgedicht von Rilke ins Gartentagebuch schreiben. Da hat mich wohl die Muse geküsst und ich bin davon ins Plaudern geraten.
...Und die Welt hebt an zu singen,
triffst du nur das Zauberwort.
Wünschelrutengrüße aus einem Vorfrühlingsabend
a presto
m
a p
m
Wie manches Mal durch das noch unbelaubte
Gezweig ein Morgen durchsieht, der schon ganz
im Frühling ist: so ist in seinem Haupte
nichts was verhindern könnte, dass der Glanz
aller Gedichte uns fast tödlich träfe
denn noch kein Schatten ist in seinem Schaun,
zu kühl für Lorbeer sind noch seine Schläfe
und später erst wird aus den Augenbraun
hochstämmig sich der Rosengarten heben,
aus welchem Blätter, einzeln, ausgelöst
hintreiben werden auf des Mundes Beben,
der jetzt noch still ist, niegebraucht und blinkend
und nur mit seinem Lächeln etwas trinkend
als würde ihm sein Singen eingeflößt.
Rainer Maria Rilke
Aus: Das Buch der Bilder
Vorhin führte ich eine kleine Diskussion mit meinem jüngeren Sohn, der sich im Deutschunterricht gerade mit der Gedichtinterpretation befassen sollte. Er trug mir einen Vers vor, und meinte: „Kannst du das interpretieren?“ „ Nein“, sagte ich „das kann ich nicht so einfach, denn er spricht mich nicht an!“ „Oh, meinte er „muss mich ein Gedicht also erst mal ansprechen?“ (Und er lächelte spitzbübisch...)
Dies hat mich dazu bewogen für mich zu überlegen ob solche „Gedichtinterpretationen“ ganz genau nach vorgegebenen Schemata aufgebaut, wirklich die Tür in die göttliche Welt der Lyrik für die jungen Menschen zu öffnen im Stande ist.
Daher würde ich gerne vorschlagen, dass sich jeder Schüler aus einer ganzen Vielfalt von Gedichten dasjenige auswählen sollte, dass seine Seele, oder sei es auch nur den Verstand (was ich wiederum nicht für möglich halte...) besonders anspricht.
Wäre es nicht erstrebenswert wenn man den Sinn für Verse einfühlsamer fördern würde um dadurch das Erkennen feinster Werte und sprachlicher Schönheiten in guter Prosa zu schulen?
Kleine Kinder hören gerne Reime. Sie haben noch ein ganz elementares Gefühl für Sprachwitz und Wortmelodien. Das kenne ich gut, auch von meinen langjährigen Erfahrungen als Vorleserin in der Bibliothek in E. Junge Kinder erfassen die Reime ohne Mühe und lernen die Verse nach wenigen Wiederholungen geradezu mühelos auswendig.
Schade, dass diese keimende Saat in den oberen Schulklassen oftmals nicht so unbeschwert weiter wachsen kann.
Nun, gut. Ich jedenfalls liebe Gedichte, ganz besonders die von Rainer Maria Rilke. Sie machen die Seele Staunen, Weinen oder Zittern wie das Flügel schlagen eines winzigen Vogels. Sie sind imstande, wenn man es zulassen kann, das Außen aufzulösen um nur noch das Innerste zu spüren.
Ähnlich, aber doch ganz anders die Gedichte Hermann Hesses, die mich ebenfalls schon einige Jahre begleiten. Sie sind wie ein guter Freund, einem dem man alles anvertrauen kann, weil man ihn am besten kennt, weil er das in sich birgt was du selbst auch in dir birgst.
Aber genug!
Eigentlich wollte ich „nur“ dieses Frühlingsgedicht von Rilke ins Gartentagebuch schreiben. Da hat mich wohl die Muse geküsst und ich bin davon ins Plaudern geraten.
...Und die Welt hebt an zu singen,
triffst du nur das Zauberwort.
Wünschelrutengrüße aus einem Vorfrühlingsabend
a presto
m
a p
m