25 September 2009

Kräfte messen...

Liebe Gartenfreunde

Momentan versuche ich mich mit der herbstlichen Stimmung, die der Garten verströmt, anzufreunden. Heute habe ich begonnen mich zumindest ansatzweise aus der Umarmung des Frauenmantels zu befreien. Dieser hat seine Wurzeln unter jede Steinplatte gesenkt, unter die Ränder der Buchsbaumhecken und viel schlauer noch: In die Fugen der Mäuerchen getrieben. Aber trotz eines leisen Geschimpfes der Alchemilla konnte ich einige zu einem Umzug überreden. Ein ausschweifendes Kräfte messen, das ich gedenke zu gewinnen. Genau so werde ich es auch mit dem frechen Kaukasusvergissmeinnicht machen, das mir meine Arme zerkratzt mit seinen rauen Blättern und vor allem mit den allzu vorwitzigen Sämlingen des gelben Mohn. Dieser ist in der Zwischenzeit schon mancherorts flächendeckend, wunderschön und unwiderstehlich wenn er blüht, aber was zuviel ist, ist einfach zuviel!
Immer wieder ziehe ich in Gedanken Vergleiche zwischen dem Umgang mit meinen Söhnen und meiner Art zu gärtnern. Freiheiten sind prima und wichtig, so entsteht Selbstbewusstsein und Kreativität. Eigentlich viel schöner als wenn ich immer gleich eingegriffen hätte. Etwas freies Wildes, Unverbogenes entsteht nur aus sich selbst heraus. Aber: Genau dann, wenn es gar zu bunt wird, die abgesteckten Grenzen ohne Scheu überschritten werden, ja, dann musste ich konsequent eingreifen, so wie ich es die nächsten Tage im Garten tue.
Dieser Wechsel von „Sein lassen“ und „Rahmen abstecken“ macht mir großen Spaß, weil es mein Einfühlungsvermögen fordert. So stelle ich mir hundertmal die Frage: Soll ich nun diesen Strauch dorthin oder jene Rose hierhin verpflanzen, so wie ich mir die Jahre über Tausende Gedanken darüber gemacht habe mit meinen Söhnen, in jeder Situation neu, über das: was kann ich erlauben und was nicht.
Schön, aber eben auch nicht ganz einfach!

Viel anstrengender als das Ausbuddeln ist die Überlegung: Wohin mit den Pflanzen?
Sie wissen ja sicherlich, dass es uns Gärtnerwesen sehr widerstrebt etwas zu töten. „Der Mörder war wieder der Gärtner...“ so heißt es in einem uralten Song von Reinhard May... ich bin nur im äußersten Notfall, sozusagen in Notwehr, dazu bereit einen Baum zu fällen. Aber dieser Notwendigkeit werde ich mich in den nächsten Wochen auch noch stellen.(Sie merken: ich bin entschieden!)

Heute jedoch stibitzte ich, während meinen Arbeiten, eine Hand voll reifer Brombeeren die über den Zaun hingen ( wehe, wenn dieser Pionier der Beerensträucher sich herüberwagt..) und schaffe Luft und freie Plätzchen für weniger aufdringliche Gartenbewohner, wie die Bartnelken und den Goldlack.
Dann möchte ich auch die Taglilien die bislang in zwei Beeten weilten zusammenführen. Die unter ihrem Blattwerk leidenden Nachtkerzen bitten auch um neues Quartier und einige Iris, die mir zu buschig und hoch gewachsen waren verlangen ebenfalls einen Umzug. Weiß nur nicht, wohin? Oftmals ist die Gartenarbeit Meditation, jetzt im Herbst bedeutet Gartenarbeit Kommunikation. Gespräche mir selbst und mit Pflanzen die ihre Ansprüche vorbringen.
Mal sehen ob ich mir die sommerlichen Eindrücke von Blüten, Erscheinungsformen und Farben richtig eingeprägt habe, denn das ist meine Grundlage zur Diskussion. Man muss doch Argumente haben!
Herzliche Grüße
m

23 September 2009

Goldener Septembermorgen..



Oder:Ist heute nicht mein Tag?
Ist heute nicht mein Tag um einfach die Gitter zu durchbrechen, ein paar Schokokekse in die Tasche zu stecken und auf einen Berg zu wandern, den ich schon fast nicht mehr kenne?
Ist heute nicht mein Tag der meinen Alltagsgespinsten, den rufenden Arbeiten, Sorgen und Problemen die dort harren wie die Spinne im Netz ein Schnippchen schlägt?
Seidenweiche Luft eine Sonne die noch wärmt und blauer Himmel über mir. Das macht ungeheure Lust darauf etwas ganz Verrücktes zu tun. Das Gitterwerk durchbrechen, den Alltagsgespinsten entkommen und den vielerlei Erwartungen lachend davon laufen.
Doch, ich spüre, heute ist genau so ein Tag! ( Ich sollte mich beeilen... die Zeit rennt...)
a presto
m
PS: Und falls ich morgen wieder hier bin, im Garten bei den munter aufgehenden Mohn-Frauenmantel usw. usw. Sämlingen, die mich irgendwie nicht mehr so ganz ernst nehmen, bei den Zwetschgenrezepten und Gartenplänen dann sicherlich etwas verwandelt. Verrückte Tage können so wirken!

21 September 2009

Zwiegespräche mit einer alten Katze

Es war Mitte August. Die Sonne schien warm an diesem Tag und ich war schon früh in den Garten gekommen um meine alte, schwarze Katze zu füttern. Seltsam, dass sie nicht schon wartet, dachte ich während eine Ahnung von Angst in mir aufstieg.
Ich fand sie im feuchten Gras liegend. Ihr Atem war kaum noch spürbar als ich neben ihr kniete und sie leicht berührte. Sie hob ganz leicht den Kopf und blickte mich an. Ich begann mit ihr zu sprechen. Ich sagte: „Du Katze, geht’s dir nicht so gut? Was hast du?" Kaum hörbares Schnurren. Ich sagte „ Du, mach mir keine Bange. Du hast mir versprochen noch einen Sommer mit mir hier zu bleiben, in deinem Garten.“
Als ich sie ganz sanft streichelte spürte ich plötzlich unsere gemeinsame Zeit verrinnen. Unwiederbringlich. Ich setzte mich und sprach leise mit ihr während meine Gedanken in den Jahren spazieren gingen.
Ich bin dir so dankbar. Du warst immer da, in den guten und in den schweren Tagen, dachte ich, und mir fielen die kalten Winternächte ein wo ich, eingemummt im Schneeanzug meines Sohnes, deine Malzeiten bewachte, während sich die erwärmte Futterschüssel in den Schnee schmolz.
Ich dachte an die Gartentage, (bis auf die letzen... da war dir der Besucheransturm schon ganz egal...) wo du dich an verborgenen Plätzchen zurückgezogen hattest, wegen der vielen Menschen und erst am Abend wieder zum Vorschein kamst.
Ich erinnerte mich an die Diagnose eines Tierarztes zu dem ich dich brachte weil du krank warst (du hast mich damals sehr zerkratzt...) der meinte: „Lassen sie sie da. Sie hat nur noch wenige Wochen zu leben“...und ich darauf: „Wenn sie keine Schmerzen hat, kann sie noch solange bei mir bleiben. Ich merk das dann schon wenn’s ihr schlechter geht!“
Über vier Jahre ist das nun her! Vier mal Frühling, Sommer, Herbst und Winter... in denen du mir auf Schritt und tritt im Garten gefolgt bist. Immer eine Armlänge weg. Schlafend, schnurrend beobachtend. Es wird mir fehlen!

Emphatisch: Ich sei empathisch mit dieser Katze verbunden deshalb sei sie noch am Leben, meinte ein guter Freund als ich ihm die Sache Anfang letzten Jahres mal erzählte.
Selten und kostbar, dieses Einfühlungsvermögen in die Seele eines anderen Lebewesens. Eine Verbindung, die den Anderen spürt ohne Worte zu machen. Selten mit einem Menschen, unbeschreiblich, wertvoll und schön. Genau so schön mit einem Tier, das mich viele Jahre des Lebens begleitet hat.

Mittags fand ich sie im Schatten des Gartenhäuschens und am Abend saß ich bei ihr vor dessen Tür und war unendlich traurig.

Mein jüngerer Sohn erklärte mir später: „Du bist egoistisch! Lass sie frei. Sie mag nicht mehr, akzeptiere das doch. Sie ist uralt.“. Mein kindlicher Trotz antwortete: „Nein sie ist nicht alt, sie ist unsterblich. Und ich lief raus in zu ihrem Hüttennest und sagte. „Du, Katze ich lasse dich gehen wenn du dazu entschlossen bist.Aber bleib hier in deinem Garten, renn nicht weg wenn du dich zurückziehst, versprich mir das!“(Katzen sterben gerne alleine...)

In der Nacht dachte ich an die Abschiede in meinem Leben. Schmerzhafte und leidvolle. Ich dachte an meine Aufgabe loslassen zu lernen und war traurig.

Am nächsten Morgen sah ich sie erwartungsvoll vor dem Häuschen sitzen. Sie machte einen besseren Eindruck als Tags zuvor und suchte meine Nähe. Als ich sie streichelte spürte ich wie sehr sie dies mit einem Mal genießen konnte. Das tat mir unendlich weh.
Nun erst, am Ende deines Lebens kannst du Zärtlichkeiten zulassen. Es war eine bestürzende Erkenntnis die mich stark bewegte. Ich sah in ihre Augen und mir war als sehe ich mich in einem Spiegel, mich die Suchende nach dem ewigen Garten.

Heute Morgen saß ich wieder für ein Weilchen neben meiner alten Katze, die immer weniger, immer leichter wird in ihrem Hinüber wachsen in eine andere Zeit.
Sie fraß ein bisschen und ich sagte. „Du, der Sommer ist vorbei. Morgen ist Herbstanfang. Wo willst du schlafen wenn es kalt und Winter wird? (die Stiege zum Keller schafft sie nicht mehr)
Sie schaute auf und irgendetwas in ihren Augen lächelte, so als wollte sie sagen: „Warum machst du dir Sorgen um Morgen? Und ich streichelte über ihr Köpfchen weil sie es nun mag, und es rührte mich an wie so oft in den letzten Wochen.

Irgendwann, vielleicht schon morgen wird sie mich und meinen Garten, der ihr Garten war, verlassen. Etwas davon wird sie mitnehmen, und vieles von ihr wird hier bleiben. Ich fühle eine Gartenepoche geht mit ihr zu Ende. Sie gehört irgendwie dazu, sagte ein Gartenfreund, der sie gerne fotografiert hat in ihrem grünen Reich.
Ein kleiner Teil meiner Gartenseele wird Flügel erhalten oder versinkt in der Erde die immer Trost ist.
Heute ist sie noch da, lebt, atmet und genießt die Berührung nach der sie sich vielleicht ein ganzes Leben gesehnt hat.

a presto
m

07 September 2009

Römische Fontaine

Borghese

Zwei Becken, eins das andre übersteigend
aus einem alten runden Marmorrand,
und aus dem oberen Wasser leis sich neigend
zum Wasser, welches unten wartend stand,

dem leise redenden entgegenschweigend
und heimlich, gleichsam in der hohlen Hand,
ihm Himmel hinter Grün und Dunkel zeigend
wie einen unbekannten Gegenstand;

sich selber ruhig in der schönen Schale
verbreitend ohne Heimweh, Kreis aus Kreis,
nur manchmal träumerisch und tropfenweis

sich niederlassend an den Moosbehängen
zum letzten Spiegel, der sein Becken leis
von unten lächeln macht mit Übergängen.

Rainer Maria Rilke
Aus: Neue Gedichte (1907)


Mit der „Römischen Fontaine“, möchte ich, Kreis um Kreis, nur manchmal träumerisch und tropfenweise einen „Übergang“ schaffen zu den, herbstlichen Gartenarbeiten und neuen, abenteuerlichen Tage -und Raum füllenden Perspektiven, die der nahende Herbst so zu versprechen scheint. Dabei denke ich auch an eine Reise in die famose Welt der Berge, die ich nicht nur im Steingrund erwandern, sondern dabei gerne auch dem gesicherten Bergtier in luftiger Höhe begegnen möchte.

Die Zwetschgen sind bald reif und die „Rosa Hortensien“ sind am verblühen. „Der Pavillon“ lockt noch einmal mit einigen späten Blauregenrispen und die leuchtenden Silberkerzen duften verführerisch in die Dunkelheit. Die seltenen Rosen in meinem Garten verlocken, sich in „Das Rosen Innere“ zu verlieren während gleich daneben die golden- orangenen Kürbisse Appetit auf lukullische Ausschweifungen machen.
... Zwei Becken, eins das andere übersteigend...

Liebe Grüße
a presto
m

04 September 2009

Der Schauende

Ich sehe den Bäumen die Stürme an,
die aus laugewordenen Tagen
an meine ängstlichen Fenster schlagen,
und höre die Fernen Dinge sagen,
die ich nicht ohne Freund ertragen,
nicht ohne Schwester lieben kann.

Da geht der Sturm, ein Umgestalter,
geht durch den Wald und durch die Zeit,
und alles ist wie ohne Alter:
die Landschaft, wie ein Vers im Psalter,
ist Ernst und Wucht und Ewigkeit.

Wie ist das klein, womit wir ringen,
was mit uns ringt, wie ist das groß;
ließen wir, ähnlicher den Dingen,
uns so vom großen Sturm bezwingen, -
wir würden weit und namenlos.

Was wir besiegen, ist das Kleine,
und der Erfolg selbst macht uns klein.
Das Ewige und Ungemeine
will nicht von uns gebogen sein.

Rainer Maria Rilke
aus: Das Buch der Bilder
aus: Der Schauende

Wenn ich mich Gedichten zuwende, ist es so als höre ich in mich hinein. Manche bringen Saiten in mir zum klingen die mir erst noch bewusst werden möchten. Dank dieser Gedichte spüre ich wo ich stehe, was reif geworden ist und was noch Zeit braucht. Manche Gedichte brauchen ihre Zeit... meine Lebens-Zeit in der ich sie brauche.
Manche schon verinnerlichte Gedichte entfalten eine starke emotionale Wirkung in mir, die an die Tage erinnert in der ich sie fand.

"Der Schauende" fühlt sich für mich wie ein Betrachtender an, einer der in der Zurückgezogenheit, eine Ahnung von Wahrheit spürt, auch die, dass er die ungeteilte Aufmerksamkeit eines Du braucht. Das Wertvolle des Selbst und des Du erkennt und ersehnt.
Der „Sturm“ setzt ihn in einer Landschaft ab in der alles nur noch still ist „ohne Alter“. Dort in der Stille kommt das Lärmen der Sinne zur Ruhe und er kann sich auf das „Nichts“ einlassen. Ähnlich wie in Hesses Gedicht „Glück“, das ich sehr mag entsagt "Der Schauende" jedem Wunsch und nennt das Glück nicht mehr beim Namen.

Der Schmetterling kann ganz zart und fast unbemerkt auf seinem Handrücken landen ...

(ein Versuch einer mir eigenen Interpretation)

Abendgrüße in die regnerische Nacht
a presto
m

01 September 2009

Wenn es nur einmal so ganz stille wäre...










Wenn es nur einmal so ganz stille wäre.
Wenn das Zufällige und Ungefähre
verstummte und das nachbarliche Lachen,
wenn das Geräusch, das meine Sinne machen,
mich nicht so sehr verhinderte am Wachen -:

Dann könnte ich in einem tausendfachen
Gedanken bis an deinen Rand dich denken

und dich besitzen (nur ein Lächeln lang),
um dich an alles Leben zu verschenken
wie einen Dank.

aus: Das Stundenbuch
Das Buch vom Mönchischen Leben
Rainer Maria Rilke

Ein lieber Abendgruß überall dorthin wo er ankommen möchte...
a pesto
m